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Ernst-Moritz-Arndt-Straße

Die Ernst-Moritz-Arndt-Straße in Refrath hat ihren Namen durch einen einstimmigen Beschluss des Rates der Stadt Bensberg am 5. November 1963 erhalten. Die Benennung stand im Zusammenhang mit einem Antrag der Ortsvereinigung Bensberg des Bundes der Vertriebenen, die Straßen eines Neubaugebietes „mit den Namen ostdeutscher Künstler und Wissenschaftler zu benennen, um das geistige Erbe wach zu halten und den rund 30% Heimatvertriebenen innerhalb der Bevölkerung die Verbundenheit zu bekunden.“1 In der Ratssitzung am 3. Oktober 1963 wurden unter anderem die Immanuel-Kant-Straße, die Menzelstraße und die Virchowstraße benannt. Die von der Verwaltung vorgeschlagene Benennung einer Straße nach dem 1774 in Greifswald in Pommern geborenen romantischen deutschen Maler Caspar David Friedrich wurde in der Sitzung abgelehnt, da der Straßenname „Caspar-David-Friedrich-Straße“ zu lang sei. Die Verwaltung wurde aufgefordert, einen neuen Vorschlag zu machen. Hinter der Straßenbenennung nach Ernst Moritz Arndt in der nächsten Ratssitzung stand von daher offensichtlich die Absicht, als Namengeber einen aus Pommern gebürtigen Künstler oder Wissenschaftler zu wählen.

Ernst Moritz Arndt wurde am 26. Dezember 1769 in Groß Schoritz auf Rügen geboren und starb am 29. Januar 1860 in Bonn. Bedeutung gewann er vor allem durch seine massenwirksamen Flugschriften gegen die napoleonische Herrschaft in Deutschland, deren Franzosenhass die deutsche Nationsbildung in den „Befreiungskriegen“ 1813 gegen Napoleon maßgebend mit prägte. Tatsächlich finden sich „in Arndts umfangreichem Lebenswerk genügend Stellen, die in heutigen Ohren schauerlich klingen: Hassgesänge auf den Erzfeind Frankreich, Schmähungen des Katholizismus, Ausfälle gegen die Juden, pseudoreligiöse Überhöhungen der deutschen Nation.“2 Viele seiner Schriften predigen „bedingungslosen Hass“ und enthalten „verhängnisvolle Vereinfachungen und einseitige Verknüpfungen.“ Bereits Zeitgenossen äußerten ihre „Besorgnis vor der von ihm ausgehenden gefährlich benebelnden Schwärmerei“.3

Die antinapoleonischen Befreiungskriege stehen aber als ein „Schlüsselereignis der modernen deutschen Nationalgeschichte“ auch in weiteren Bedeutungszusammenhängen. Franzosenhass und „Überbewertung des Deutschen“ finden sich in dieser Zeit auch bei Friedrich Ludwig Jahn, Heinrich von Kleist oder Johann Gottlieb Fichte. Erstmals ging ein Krieg nicht von den Fürsten aus, „sondern vom ‘Volk‘, von einer patriotischen Bewegung.“4 Arndts Hass richtete sich auch „gegen Fürsten und Partikularherrschaft“. Die deutsche Nationalbewegung war „von vornherein auf ein Doppelziel gerichtet: Befreiung von Fremdherrschaft und Selbstbestimmung der Nation im Innern.“5 Arndts „Forderungen des Sturzes einer Fremdherrschaft“ waren verknüpft mit der Propagierung „der unveräußerlichen Freiheit des einzelnen Menschen“. Er zog staatliche Repressalien auf sich, weil er „für die Mündigkeit des Volkes, für eine freiheitliche Verfassung seine Stimme erhob und sich jeder Tyrannei entgegenwarf“. Schließlich lässt sich „auch nachweisen, dass neben dem mit tönendem Pathos verkündeten nationalen Gefühl der aus allgemein menschlichen Erwägungen kommende Wunsch einer Verständigung der Völker auf der Grundlage der Wahrung jeder Individualität in ihm lebte.“6

Als Arndt vom preußischen König 1840 rehabilitiert wurde, wurde das „im Bildungsbürgertum als ein Signal dafür gedeutet, dass der neue Monarch willens sei, seinen Frieden mit den liberalen Zeitströmungen zu machen.“7 Nach der Revolution 1848 wurde Arndt als im Wahlkreis Solingen gewählter Abgeordneter Alterspräsident der Frankfurter Nationalversammlung, des ersten frei gewählten deutschen Nationalparlaments.

Die nach Ernst Moritz Arndt benannte Universität Greifswald hat im Januar 2017 nach langjähriger Diskussion den Beschluss gefasst, ihre Benennung nach Arndt abzulegen.8 Eine wichtige Rolle bei diesem Beschluss spielte die Tatsache, dass die Universität zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 nach Arndt benannt worden war. Die Nationalsozialisten haben Arndt als ihren „Vorläufer und Herold in Anspruch“9 genommen und sich dabei nicht zuletzt auf seine nationalistischen und franzosenfeindlichen Äußerungen berufen. An der Universität Greifswald wurde der Name Arndts zur Zeit der DDR 1954 wieder aufgenommen und dabei in einem antifaschistischen Sinn begründet. In der Greifswalder Namensdiskussion der letzten Jahre wurde vor diesem Hintergrund betont, dass „zwischen Arndt und den Arndt-Bildern zu unterscheiden“ sei und dass sich an Arndt als „Erinnerungsort“ die „Komplexität deutscher Geschichte“ zeige.10

Als beispielhaft für die unterschiedlichen Arndtbilder in der Geschichte können auch unterschiedliche Akzentuierungen aus der Benennungsgeschichte der Ernst-Moritz-Arndt-Schule in Bonn gelten. Die Benennung wurde in der NS-Zeit 1938 realisiert, war aber bereits 1926 zur Zeit der Weimarer Republik beabsichtigt gewesen. Während die Benennungsabsicht 1926 „dem Verfechter der Demokratie und dem Abgeordneten der Paulskirche gegolten hatte“, hob der Bonner Oberbürgermeister 1938 Arndts Nähe zur „Ideenwelt des Dritten Reiches“ hervor.11

Widersprüche gibt es nicht nur zwischen den Arndt-Bildern unterschiedlicher Zeiten, sondern auch zwischen unterschiedlichen Äußerungen Arndts selber. Der Bonner Historiker Dominik Geppert hebt hervor, dass Arndt, der aus Schwedisch-Pommern stammte, bis 1809 so etwas wie „regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit“ im „Dienst der schwedischen Regierung“ betrieben habe, bevor er sich später in einem deutsch-nationalen Sinn äußerte. In Bezug auf das Paris des Jahres 1799 zitiert Geppert Aussagen Arndts, in denen dieser die „Artigkeit im Umgang“ der Menschen miteinander dort lobte: „Kreolen, Mulatten, Negern, Mestizen, Teutsche, Russen, Engländer, Spanier und wie die Europäer alle heißen, die ihr Mekka einmal im Leben gern wollen gesehen haben, gehen hier in Eintracht und gleicher Achtung unter den Eingebohrnen, alle als Brüder, alle als Ein Volk.“12 Gerade wegen solcher Widersprüche und „weil Arndt solange auf den Sockel des nationalen Säulenheiligen“ gestellt worden war und „später so unsanft von diesem Sockel gestoßen wurde“, war Arndt nach Geppert „ein wichtiger Referenzpunkt bei der Aushandlung eines deutschen, preußischen, rheinischen, Bonner Geschichtsbilds“.13

Die Bedeutung Ernst Moritz Arndts für die deutsche Geschichte wird darin sichtbar, dass in Nordrhein-Westfalen 24 Kommunen eine Straße oder einen Weg nach Ernst Moritz Arndt benannt haben, darunter die Städte Bonn, Euskirchen, Rösrath, Sankt Augustin, Velbert, Waldbröl und Wülfrath. Im Unterschied zur Greifswalder Universität und zu den Schulen in Remscheid und Bonn war bei der Benennung der Ernst-Moritz-Arndt-Straße in Refrath nicht eine nationalsozialistische Sichtweise auf sein publizistisches Wirken maßgebend, sondern seine Herkunft aus Pommern.

Von Arndts antisemitischen und antifranzösischen Hassreden hat sich der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Bergisch Gladbach in seiner Sitzung am 18. Mai 2017 distanziert. Vor dem Hintergrund von Arndts Bedeutung für die deutsche Geschichte, zur Förderung eines differenzierten historischen Bewusstseins und im Interesse der Verlässlichkeit vergebener Straßennamen hat er sich jedoch gegen einen Umbenennungsantrag und für die Beibehaltung des Straßennamens entschieden. Um die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit Arndts widersprüchlichem Wirken zu geben, sollen ein Zusatzschild zum Straßennamen vor Ort und diese Informationen auf der städtischen Website auf Arndts kritikwürdige Äußerungen hinweisen.

1Vorlage zu Punkt A 21 der Tagesordnung der Sitzung des Rates der Stadt Bensberg am 3. Oktober 1963, in: Stadtarchiv Bergisch Gladbach, F 1/28.
2 Dominik Geppert: Ernst Moritz Arndt (1769-1860). Zwischen deutschem Nationalismus, regionaler Verwurzelung und europäischer Zivilisation, in: Institut für Geschichtswissenschaft (Hrsg.): 150 Jahre Historisches Seminar. Profile der Bonner Geschichtswissenschaft. Erträge einer Ringvorlesung, Siegburg 2013, 31-50, hier 31.
3 Max Braubach: Ernst Moritz Arndt (1769-1860), in: Bernhard Poll (Hrsg.): Rheinische Lebensbilder, Band 7, Köln 1977, 83-107, hier 104-105.
4 Otto Dann: Nation und Nationalismus in Deutschland 1770-1990, München 1993, 69, 70 und 71.
5 Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, Zürich 1985, 304.
6 Braubach, Arndt, 105
7 Wolfgang J. Mommsen: 1848. Die ungewollte Revolution. Die revolutionären Bewegungen in Europa 1830-1849, Frankfurt am Main 1998, 70.
8 Am 7. März 2017 verweigerte das Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommern der Namensänderung die erforderliche Zustimmung, da der Abstimmungsprozess nicht gemäß Landeshochschulgesetz erfolgte.
9 Braubach, Arndt, 104.
10 Dirk Alvermann/Reinhard Bach/Irmfried Garbe: Thesen zum Greifswalder Universitätsnamen, https://www.uni-greifswald.de/fileadmin/uni-greifswald/1_Universitaet/1.4_Geschichte/1.4.2_Ernst_Moritz_Arndt/Namenskommission_Arndt/Anlage_03_-_Thesen_und_Thesenbegruendung_pro_Arndt.pdf, abgerufen am 7. Februar 2017.
11 Norbert Schloßmacher: Zur Arndt-Rezeption – nicht nur – in Bonn. Gedanken zum 150. Todestag von Ernst Moritz Arndt, in: Bonner Geschichtsblätter 59, 2009, 169-194, hier, 188.
12 Geppert, Arndt, 35.
13 Geppert, Arndt, 32.