Drei bedeutende Frauen aus Bergisch Gladbach sind vom FrauenRat NRW e.V. für eine besondere Ehrung ausgewählt worden: An Julie Zanders, Maria Zanders und Olga Zanders, die die Geschicke des Papierherstellers Zanders über zwei Jahrhunderte prägten, wird künftig deutlich sichtbar mit einer Gedenktafel erinnert.
Diese Tafel wurde bei einem Empfang in der Villa Zanders am Freitag, 12. September feierlich eingeweiht.
Die drei Zanders-Frauen sind jetzt Teil des Projektes FrauenOrte NRW, mit dem landesweit herausragende historische Frauenpersönlichkeiten ausgezeichnet werden. Dies geht zurück auf einen Vorschlag von Dr. Ulrich Soénius, Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln.
„Viele Frauen waren in der Geschichte der Wirtschaft des Rheinlandes maßgeblich tätig, aber ihre Rolle wurde in der Vergangenheit zu wenig beachtet. Das Projekt des FrauenRats NRW mit den FrauenOrten Aufmerksamkeit zu erreichen, rückt die drei Bergisch Gladbacher Unternehmerinnen wieder mehr in das öffentliche Bewusstsein. Der Vorschlag erfolgte auch, um die Rolle der Unternehmen in der Geschichte zu betonen – gerade jetzt, wo sich nach dem Ende der Papierfabrik der Standort wandelt, so Dr. Ulrich Soénius.
„Diese Frauen waren Pionierinnen, die zu einer Zeit entschieden, die Verantwortung für die Leitung der Firma Zanders zu übernehmen und diese zu gestalten, in der dieses keineswegs üblich war“, betonte Judith Klaßen, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergisch Gladbach, bei der Einweihung der Tafel.
Auch Bürgermeister Frank Stein würdigte die Lebensleistung der drei Frauen: „Das entschlossene Handeln von Julie, Maria und Olga Zanders sicherte vielen Menschen über viele Jahre den Arbeitsplatz und Lebensunterhalt. Ohne sie gäbe es heute weder das das Stadtbild prägende und sich gerade wieder verändernde Zanders-Areal an der Gohrsmühle noch die lange Tradition der Papierstadt Bergisch Gladbach.“
Jihane Qotit Zerhouni, Vorstand FrauenRat NRW e.V. erklärt, was das Ziel des Projektes ist: „Mit unserem Projekt wollen wir zu Gleichberechtigung beitragen: Der öffentliche Raum ist einseitig männlich geprägt und verleugnet so die Errungenschaften von Frauen. Mit unseren Infotafeln und -stelen rücken wir die Schieflage dieser Wahrnehmung, Frauen hätten in der Geschichte nichts Bedeutendes beigetragen, zurecht.“
Tatjana Gräfin von Spee, geborene Zanders, ist Vertreterin der Familie im Kuratorium der Stiftung Zanders - Papiergeschichtliche Sammlung und Vorsitzende des von Maria Zanders gegründeten Altenberger Dom-Vereins. Sie würdigte als direkte Nachfahrin die enormen und in ihrer Zeit außerordentlichen Verdienste der drei Unternehmerinnen um die Papierfabrik und somit für das gesellschaftliche und kulturelle Leben in der Region.
Die Leiterin des Kunstmuseums Villa Zanders, Dr. Ina Dinter, betonte die fortwirkende Bedeutung des Wirkens von Maria Zanders: „Maria Zanders hat nicht nur unternehmerisch, sondern auch kulturell weit in die Zukunft gewirkt. Mit der Villa Zanders schuf sie einen Ort, an dem Kunst, Musik und bürgerschaftliches Engagement zusammenfanden. Dieses Erbe prägt unser Haus bis heute – unter anderem mit dem Sammlungsschwerpunkt ‚Kunst aus Papier‘ und unserem Auftrag, zeitgenössische Kunst sichtbar zu machen, wie es auch Maria Zanders in ihrer Zeit verstand.“
Informationen zu den drei Unternehmerinnen Julie, Maria und Olga Zanders:
Alle drei Frauen leiteten das Unternehmen Zanders zu einer Zeit, in der die Rolle der Frau als Gefährtin eines Mannes und als Mutter definiert wurde. Frauen waren zu dieser Zeit keineswegs gleichberechtigt: sie wurden erst ab 1900 zum Studium an Hochschulen zugelassen. Erst ab 1918 konnten sie wählen. Einen Beruf zu ergreifen, war nur erlaubt mit Zustimmung von Vater oder Ehemann. Erst ab 1958 bzw. 1977 war dies ohne Zustimmung möglich.
Julie Zanders: (1804 - 1869) sie führte das Unternehmen ab 1831 zunächst bis 1836 allein, verpachtete es dann für zwölf Jahre, um sich der Kindererziehung zu widmen. Sie übernahm die Leitung zunächst wieder allein und später (ab 1857) gemeinsam mit ihrem Sohn Carl Richard bis zu ihrem Tod. In ihrer Ära wurde unter anderem die Gohrsmühle gekauft, die bis zum Ende des Unternehmens dessen Hauptsitz blieb. Die Leistung von Julie Zanders bestand darin, das Unternehmen erhalten und sich zu einer Zeit unabhängig gemacht zu haben, in der das für Frauen weder üblich noch gern gesehen war.
Maria Zanders: (1839 - 1904): Ihr Name steht vor allem für die Erweiterung des Unternehmens durch Zukäufe und dessen Modernisierung. Nach dem frühen Tod ihres Mannes Carl Richard führte sie das Unternehmen ab 1870 allein. 1873-1874 initiierte sie den Bau der Villa Zanders. Sie verstand sich als Kulturmäzenin und pflegte Kontakte zu Künstlern, gründete einen Chor und sorgte 1894 dafür, dass sich der Altenberger-Dom-Verein gründete, dessen Zweck die Sanierung der bedeutenden Simultankirche im Bergischen Land war. Maria Zanders blieb als Teilhaberin bis 1902 im Unternehmen.
Olga Zanders (1872-1946). Die Witwe von Maria Zanders Sohn Hans Wilhelm übernahm von 1915 bis 1929 die Geschäftsleitung. Auch sie schaffte es neben der Erziehung von sechs Kindern, das Unternehmen „Zanders“ zu leiten. Im Unternehmen gab es zu diesem Zeitpunkt rund 1500 Mitarbeitende. Dank der Leistung von Olga Zanders überstand „Zanders“ sowohl den Ersten Weltkrieg als auch die Depression der 1920er Jahre. Wie ihre Vorgängerinnen engagierte auch sie sich sozial. Sie stiftete 1918 die Hochzeitsspende, wonach Töchter und Söhne von Zanders-Mitarbeitenden zur Hochzeit 200 Mark erhielten.
Infokasten Projekt FrauenOrte NRW:
Mit dem Projekt „FrauenOrte NRW“ würdigt der FrauenRat NRW e.V. bis Ende 2025 an 52 Orten 57 Frauenpersönlichkeiten aus über zehn Jahrhunderten und aus allen Regionen des (heutigen) Bundeslandes.
Sie waren Pädagoginnen und Politikerinnen, Müllerinnen und Malerinnen, Widerstandskämpferinnen und Wissenschaftlerinnen, Kirchenfrauen und Kriegsreporterinnen. Infotafeln machen ihre (Frauen)Geschichte sichtbar und würdigen ihre Errungenschaften.
Gefördert wird das Projekt durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familien, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Schirmpatin ist Gleichstellungsministerin Josefine Paul.
Dass Bergisch Gladbach nun auch einen solchen FrauenOrt hat, verdankt es Dr. Ulrich Soénius (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln), der gemeinsam mit der städtischen Frauenbeauftragten Judith Klaßen sowie der Stiftung Zanders-Papiergeschichtliche Sammlung das Projekt unter dem Dach des Projekts des FrauenRates NRW platzieren konnte.
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