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Bergisch Gladbacher Rat berät Baulandstrategie: Allgemeinheit soll von Ausweisung neuer Baugebiete stärker profitieren

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Die Grundstückseigentümer erzielen hohe Profite, aber die Planungs- und Infrastrukturaufwendungen werden von der Allgemeinheit bezahlt: Das war bisher die unausweichliche Folge der Ausweisung von neuen Baugebieten in Bergisch Gladbach. Instrumente zur Beteiligung der Grundstückseigentümer an den Entwicklungs- und Folgekosten gab es bisher nur in sehr begrenztem Umfang. Rat und Fachausschüsse haben nun eine Strategie beschlossen, die eine sozial gerechtere Steuerung dieser Effekte vorsieht.

Die Eckpunkte wurden unter externer fachlicher Anleitung in mehreren Werkstattgesprächen mit der Politik erarbeitet. Der entscheidende Ratsbeschluss wurde am Dienstag, den 8. Oktober 2019, gefasst. Mehrheitlich folgten die Ratsmitglieder der Empfehlung der vorberatenden Ausschüsse. Die Grundsätze der neuen Strategie sollen unmittelbar nach Beschlussfassung Anwendung finden.

Was steckt hinter der Baulandstrategie?
Werden neue Baugebiete in Bereichen ausgewiesen, die bisher Wiese, Feld oder Ackerland waren, so profitieren zunächst einmal die Eigentümer der betreffenden Flächen, da die Bebaubarkeit einen Wertzuwachs um das Vielfache bedeutet. Für Überplanungen im Innenbereich der Stadtteile gilt im Grunde dasselbe, wobei hier die Gewinne für die Grundstückseigner meist wesentlich geringer ausfallen.

Sozial gerecht ist dies nicht, da die Allgemeinheit die Entstehungs- und Folgekosten wie Planungsaufwand, Verkehrserschließung oder Bau und Betrieb von Kindertagesstätten, Schulen und Sozialeinrichtungen über ihr Steueraufkommen finanzieren muss. Außerdem wird es immer notwendiger, als Kommune im Speckgürtel der Rheinschiene regulierend auf die Immobilien-Preisentwicklung Einfluss zu nehmen, um überhaupt noch sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen oder bezahlbaren Wohnraum auch für weniger begüterte Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellen zu können. Der § 11 des Baugesetzbuches steckt dazu den Rahmen ab: Nach dieser Vorschrift ist es möglich, städtebauliche Verträge „zum Zweck der Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele“ zu schließen. Dazu gehören auch die beiden oben genannten Belange.

Warum gerade jetzt?
Für die Stadt Bergisch Gladbach gibt es mehrere gute Gründe, zum jetzigen Zeitpunkt in die Entwicklung einer Baulandstrategie einzusteigen:
• Der Bedarf an Wohnraum im Ballungsgebiet steigt immer stärker an, die Preisspirale dreht sich immer schneller, und die durchschnittlichen am Markt angebotenen Immobilien sind für Normalverdiener oft kaum noch erschwinglich.
• Der Flächennutzungsplan 2035 ist soeben rechtskräftig geworden; etliche der hier ausgewiesenen Baulandpotentialflächen stehen in den nächsten Jahren zur planerischen Entwicklung an.
• Der stetige Bevölkerungszuwachs erhöht den Druck auf die Stadt, für ausreichende Versorgung mit Schulen, Kindertagesstätten, OGSen und sozialen Einrichtungen zu sorgen.
• Voraussichtlich kann die Stadt im Jahre 2021 die Haushaltssicherung verlassen, was die Finanzierung der vorgesehenen Maßnahmen deutlich erleichtert.

Welche Maßnahmen sollen eingeführt werden? Erstens: Zwischenerwerb
Anwendbar ist das künftige Baulandkonzept nur auf Vorhaben mit Wohnnutzung, die per B-Plan-Verfahren realisiert werden können. Genehmigungsfähige Bauanträge, die für den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) gestellt werden, können nicht erfasst werden, weil hier ein unmittelbares Baurecht der Eigentümer vorliegt, ohne dass die Stadt grundsätzlich Einfluss üben kann.

Im planerischen Außenbereich, wo erstmalig Freifläche in Bauland umgewandelt werden soll, kann dagegen die geplante Baulandstrategie angewendet werden. Denn hier ist ein Bebauungsplanverfahren notwendig, das durch die Stadt durchzuführen ist. So will die Stadt zukünftig Einfluss nehmen unter dem Motto: Der Grund und Boden wird nur dann in Bauland umgewandelt, wenn die Stadt als Zwischenerwerberin des gesamten zur Überplanung anstehenden Areals akzeptiert wird. Dies bedeutet: Alle Grundstückseigentümer müssen sich notariell verpflichten, der Stadt ihre Flächen zu festgesetzten Konditionen zu verkaufen.

Die Stadt erwirbt die Flächen zu einem Preis, der sowohl die Interessen der Verkäufer als auch die kommunalen Interessen angemessen berücksichtigt. Die Stadt entwickelt anschließend das Gebiet planungsrechtlich und verkauft die Grundstücke an private Interessenten. Dabei hat sie die Möglichkeit, regelnd einzugreifen: etwa den Preis für sozialen Wohnungsbau moderat zu gestalten oder Auflagen im Sinne von ökologischen Standards oder städtebaulichen Qualitäten zu definieren.

Durch die teilweise Abschöpfung der Preisdifferenz zwischen Bauerwartungs- und Bauland hat die Kommune aber auch genügend Spielraum, um eigene planerische Leistungen und Infrastruktureinrichtungen für die Allgemeinheit zu finanzieren.

Um für die betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer Anreize zum Verkauf an die Stadt zu schaffen, könnten beispielsweise angemessene Aufschläge auf den Wert des (noch nicht baureifen) Grundstücks vorgesehen und ggf. auch Vorkaufsrechte eingeräumt werden.

Zweitens: Kooperationsmodell
Dieses ist vorzugsweise im Innenbereich anzuwenden, in Ausnahmefällen auch im Außenbereich. Im Kooperationsmodell werden die Eigentümer oder der/die Vorhabenträgerin und Vorgabenträger per städtebaulichem Vertrag verpflichtet, Leistungen zu erbringen, die dem Gemeinwohl dienen (z.B. geförderten/bezahlbaren Wohnraum schaffen, Kostenbeteiligung, Qualitätsziele). Hierbei ist wiederum die Angemessenheit zu prüfen und darauf zu achten, dass die zu entwickelnden Vorhaben durch die Kostenbeteiligung nicht unattraktiv werden.

Weiteres Vorgehen
Mit dem Beschluss des Rates am 8. Oktober steht die künftige Handlungsweise noch nicht in allen Details fest. Die Verwaltung wird zunächst beauftragt, die vorliegende Baulandstrategie in Richtlinien und Handlungsvorgaben zu übersetzen. Dabei müssen entscheidende Detailfragen noch geklärt werden, z.B.: Wie wird der zusätzliche Arbeitsumfang aufgefangen? Wie wird die Durchführung finanziert? Wie können Angemessenheit und Rechtssicherheit erreicht werden? Dies mündet in ein Regelwerk von Handlungsvorgaben, die dann erneut dem Rat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Die Ziele der Baulandstrategie sollen aber bereits ab Beschlussfassung auf alle Bauleitplanverfahren angewendet werden, mit wenigen gut begründeten Ausnahmen.

Gibt es solche Baulandstrategien schon in anderen Städten?
Bergisch Gladbach führt mit der beabsichtigten Verfahrensweise kein Pilotprojekt durch. Ähnliche Modelle gibt es bereits in vielen anderen Städten, z.B. in München, Hamburg, Köln, Frankfurt/M, Münster, Offenburg, Bocholt.