Erstes StartRaum GL-Event: Vom Schüler bis zum Investor – und das auf Augenhöhe!
„Was wir bei diesem Event gespürt haben: Ein Start-up Ökosystem beginnt im Kleinen – dort, wo Menschen einander auf Augenhöhe und in einer familiären Atmosphäre begegnen“, resümiert Ronny Yvonne Strasser.
Die Start-up Community Managerin vom StartRaum GL sieht alle ihre Erwartungen für das erste Event nach der Gründung der neuen gemeinsamen Start-up Dachmarke StartRaum GL der Rheinisch-Bergischen TechnologieZentrum GmbH und der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (RBW) übertroffen. Mehr als 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Start-up Szene der Region stellten sich vor, stellten Fragen und erhielten Impulse und Tipps von Profis. Fazit: Viele Ideen, viel Spirit, viel Vielfalt und ein echtes Bedürfnis nach einem Netzwerk.
Der alte Fabrikraum auf dem ehemaligen Zanders-Areal könnte nicht besser passen für den „Start-up Journey“. In der sogenannten „Keimzelle“ begann schon der Aufstieg des Papierfabrikanten. Einzig die große Fabrikuhr geht nicht mit der Zeit. Sie zeigt zehn nach drei und läuft damit eineinhalb Stunden hinterher. Die Menschen in der Halle jedoch sind ihrer Zeit eher voraus.
Was sie alle verbindet: Sie beschäftigen sich mit dem Thema „Gründung“ und sind alle innovativ. Sie sind Gründer oder willig, es zu werden. Und sie haben viele Fragen. Dafür gibt es seit Mai den StartRaum GL mit einer klaren Mission: Räume schaffen; nicht nur zum Arbeiten, sondern für Dialog, Unterstützung und eine Community, in der sich belastbar netzwerken lässt.
Nie zu jung für die Lust auf ein Start-up
„Eine Plattform mit Spaß und Lust auf Gründung“, nennt es Co-Geschäftsführer Jonas Geist bei der Begrüßung der Gäste, darunter Bürgermeister Frank Stein und der stellvertretende Landrat Ulrich Heimann. Ab da gibt es nur noch Jonas, Frank und Ulrich, denn in der Start-up-Szene wird geduzt – Ausdruck für flache Hierarchie und direkte Nähe in der Kommunikation. Es sind überwiegend junge Menschen im Raum.
Zu den jüngsten Teilnehmern gehören Fynn Ludwig (17) und Nick Brunke (18), die gerade ihr Abitur am Otto-Hahn-Gymnasium bestanden haben. Dort gibt es bereits seit Jahren ein Projekt, in dem Schülerteams Start-up-Ideen entwickeln. 2024 erreichten Fynn Ludwig, Nick Brunke und drei Mitschüler deutschlandweit den zweiten Platz bei business@school, einem Wettbewerb der Boston Consulting Group. Ihre Idee: „ClearPath Cancer,“ eine App für Ärztinnen und Ärzte zur Navigation durch den Dschungel medizinischer Leitlinien für die Krebstherapie. Die Schule hat stolz darüber berichtet.
Wie alle anderen folgen die beiden aufmerksam den drei Impulsvorträgen. Auffallend außergewöhnlich: Handys bleiben in den folgenden 50 Minuten völlig unbeachtet.
Slawomir Swaczyna: Der Reisebegleiter aus der Region
Es beginnt Slawomir Swaczyna, Innovations- und Start-up-Experte bei der RBW und beim StartRaum GL. Eine Gründung sei eine Reise, sagt er, daher auch der „Journey“ im Titel. Im Wording bleibend sieht er sich als „Reisebegleiter auf dem Weg von der ersten Idee bis zum erfolgreichen Geschäftsmodell.“ Worum geht es? „Es geht um Orientierung, ums Türen öffnen und manchmal auch um einen Schubs in die richtige Richtung“, sagt Slawomir Swaczyna und stellt einige seiner „Reisenden“ vor.
Einer von ihnen ist Jan Offermann. Der 20-Jährige stellte fest: Unternehmen wollen Influencer für Marketing-Kampagnen gewinnen. „Das ist ein riesiger, wachsender Markt“, sagt er, „aber der Prozess ist super ineffizient.“ Der Refrather ging es an. Neben seinem Business School-Studium in Deutschland und Barcelona, arbeitet er an einem digitalen Buchungsprozess, der es beiden Seiten transparent und einfach machen soll, zusammenzufinden. Gerade hat er dafür das Gründungsstipendium NRW erhalten.
Frank Blase: Der Erfolgreiche mit Haltung
Frank Blase, CEO der igus GmbH & Gründer, beginnt seinen Impulsvortrag wort- aber nicht tonlos. Als Auftakt spielt er auf einem Kazoo die Melodie des Bergischen Heimatlieds. „Erste Regel: anders sein“, sagt er danach. Mit über einer Milliarde Umsatz hat sein Unternehmen den Start-up-Status schon lange verlassen. Die Haltung ist geblieben. Nach wie vor glaubt Frank Blase an die Kraft von Innovationen und Start-ups, beteiligt sich an externen, gründete allein intern über 20. Warum? „Weil sich alles verändert. Gleichzeitig“, sagt er und nennt es den „biggest boom in history für Gründer.“
Das Wichtigste für Gründer? „Liebe dein Produkt, mach Innovation zur Chefsache und ganz vorne: Kunde, Kunde, Kunde, Kunde….“, sagt er. Aber auch: „Macht viel mit Daten, nutzt KI, organisiert euch so, dass es für alle spürbar ist, interessiert euch für die modernsten Modelle.“
Dr. Markus Gick: Der Beschleuniger mit Herzblut
Markus Gick ist Managing Director beim Accelerator xdeck und kann den potenziellen Start-ups etwas bieten, was sie alle brauchen: (Wagnis-)Kapital. Doch es geht längst nicht nur um Geld. „Wir sind so eine Art Ausbildungsstätte – mit maßgeschneiderter 1:1-Unterstützung von Gründern für Gründer“, sagt er. Dreieinhalb Monate erhalten die Pitch-Gewinner ein individuelles Beschleunigungsprogramm. „Gerade in der frühen Phase kann man wahnsinnig viel falsch machen“, so Markus Gick. 82 Start-ups sind bereits gefördert worden – kostenlos.
Die Hürde liegt jedoch hoch. Von rund 1.000 Bewerbern erreichen nur 16 den Pitch-Day. Die Bewertungskriterien? Die fünf „T“: Team, Thesis, Technology, Traction und Timing. Doch auch wer nicht ins Bewerbungsmuster passt, kann Unterstützung erhalten. Tipps gibt es auch. Zum Beispiel „Don’t become a Swiss knife“ – keine Lösung für alles und jeden anbieten. Über seinen Job sagt Markus Gick: „Start-up-Betreuung ist das Schönste, was man machen kann!“
Die Workshops – Fragen über Fragen
Nach einem Snack geht es weiter mit Workshops: Drei Schirme, unter jedem einer der Speaker; drei Gruppen, die nach jeweils 15 Minuten komplett Schirm und Speaker wechseln.
Jetzt kommen die Gründungswilligen zu Wort – und mit einem Schlag wird die ganze Vielfalt sichtbar. Da ist Sebastian Schmitz mit seiner App „HofFloh“ für die Organisation privater Flohmärkte. „Solche gibt es ja schon“, sagt er, „die Frage war aber immer: Wie mache ich sie bekannt?“ Seine App zeigt live und mit Stichwortsuche die Märkte auf einer Karte an. Ihr Sinn: weniger Verschwendung und eine lebendige Nachbarschaft.
Diversität ohne Grenzen
Oder Thomas Henderikx. Seine App heißt „Happynest“. „Eine Plattform für getrenntlebende Familien, um all das auszutauschen, was Eltern sonst beim Abendessen vereinbaren“, erläutert er. Wer kümmert sich wann um welches Kind? Was ist wann zu erledigen? Wer übernimmt welche Kosten? Wer wünscht sich was? Sein Mitgründer ist Familienpsychologe.
Gwendolyn Rothstein vom Frauennetzwerk Bergischer Women’s Hub will ein Community-Lokal in Ortsteilen aufbauen. „Du kommst und weißt, du hast eine gute Zeit“, sagt sie. Nach erfolgreichen Anfängen will sie nun „groß denken“, weiß aber noch nicht wie.
Die Themen sind so vielfältig wie das Leben. Hier: Gestandene Verfahrenstechniker für Flüssigkeiten mit einer Lösung für Gülle. Dort: Schüler vom Paul-Klee-Gymnasium in Overath, die eine Schülerfirma gründen möchten. Hier: Recycling, dort Geodaten. Überall: Menschen mit Visionen und dem Willen zu gestalten – und auf der Suche nach Antworten, was sie noch besser machen können. Dafür stehen sie nun unter den Schirmen.
Best practice und noch mehr Fragen
„Schirmherr“ Slawomir Swaczyna hat sich Verstärkung gesucht, nämlich Start-ups, die er schon längere Zeit betreut. Da erzählt Marko Steinbach, wie Vulcavo zu einem der größten Anbieter für digitale Eigentümerversammlungen wurde und sie dabei anfangs jeden Fehler gemacht hätten, den man machen könne. Alessandro Becciu erzählt, warum er einen gesicherten Job aufgab, um sich mit KI für Sicherheit in autonom fahrenden Bussen selbstständig zu machen.
Ronny Yvonne Strasser und Slawomir Swaczyna verteilen derweil Fragebögen, welche Themen sich die Start-ups für weitere Events wünschen. Bei manchen wirft dies noch mehr Fragen auf. Investor Readiness, KPIs, Leadership, IP-Schutz, Storytelling, Remote-first – es gibt viel zu lernen für Start-up-Gründer. Die Lehrerin vom PKG steckt den Fragebogen ein; sie will mit den Schülern die Begriffe klären.
Von Schirm zu Schirm – Ratschläge und Realismus
Fynn Ludwig und Nick Brunke stehen zunächst bei Frank Blase und erklären ihr Projekt, mit dem sie bei business@school den zweiten Platz und zusätzlich den „Social Entrepreneur-Preis“ erhalten haben. Komplex, sehr teuer, zeitaufwändig, aber mit klarem Nutzen für Krebspatienten und 30 Minuten Zeiteinsparung für Ärzte bei der Therapieauswahl, weil sie nicht mehr viele dicke Leitlinien manuell durchsuchen müssen. Ihre Fragen: Wollen wir? Können wir? Wie können wir damit Geld verdienen?
Nick Brunke möchte Medizin studieren. „Aber nicht erst in sechs Jahren“, sagt er. Frank Blase fragt nach. Team? Kooperationspartner? Skalierung? Die beiden haben auf alles Antworten. „Ihr habt ja schon viel“, sagt Frank Blase. Bleibt die ganz persönliche Entscheidung. Sein Rat: „Stellt euch das Schlimmste vor, was passieren kann, und fragt euch, ob ihr damit klarkommt.“ In diesem Falle also: Es kostet viel, es dauert lang – und niemand kauft es. „In eurer jetzigen Lebensphase ist das viel Zeit und Risiko“, resümiert er. „Es ist sehr anspruchsvoll – aber es ist toll!“
15 Minuten später stehen Nick Brunke und Fynn Ludwig bei Markus Gick. „Erzählt überall von eurer Idee. Pitchen, pitchen, pitchen. Ihr seid smart. Geht zu Events, gewinnt die Events!“, rät er engagiert. „Finanziert damit eine erste Runde, eine App mit Grundfunktionen. Geht damit in die zweite Runde.“ Danach zücken alle drei ihre Handys und scannen QR-Codes mit Kontaktdaten. Visitenkarten sind in der „Keimzelle“ völlig oldschool.
Die Zeit bleibt nicht stehen
„Ich bin begeistert“, sagt Jonas Geist nach der Veranstaltung. „So viele tolle und inspirierende Persönlichkeiten an einem Ort. Vom Schüler bis zum Investor – auf Augenhöhe und per Du!“ Immer noch stehen viele Grüppchen zusammen und tauschen sich aus. Die Uhr in der „Keimzelle“ zeigt immer noch zehn nach drei. Doch zwischen zehn nach drei und zehn nach drei liegen in Wahrheit rund fünf Stunden voller Innovation und Inspiration, Austausch und Vernetzung sowie der spürbaren Gewissheit: Wo sich Ideen und Unternehmergeist treffen, entsteht Bewegung – ganz gleich, was die Uhr zeigt.
Text: Karin Grunewald
StartRaum GL
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