Mit der Vorlage für den Jugendhilfeausschuss am 9. März 2023 hat die Stadtverwaltung darüber informiert, dass für das nächste Kindergartenjahr zahlreiche Kindergartenplätze nicht zur Verfügung stehen. Die Fachabteilung im Dezernat von Ragnar Migenda und im Fachbereich Jugend und Soziales von Sabine Hellwig hat nun die verschiedenen Aspekte analysiert und informiert über den Sachstand. Zunächst werden kurzfristige Lösungen dargestellt.
Jugendhilfeplanung Kindertagesbetreuung weist Defizit auf
Die Jugendhilfeplanung für das Kitajahr 2023/24 weist ein Defizit von 416 Kitabetreuungsplätzen auf. Im Bereich der Kindertagespflege gibt es ein rechnerisches Plus von vier Plätzen. Das Defizit im Kitabereich setzt sich zusammen aus: 82 fehlenden Plätzen für U3-Kinder, 183 fehlenden Plätzen für Ü3-Kinder und 151 Plätzen, die voraussichtlich für die Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung im Rahmen der Gruppenstärkenabsenkung nicht besetzt werden können.
Betrachtet man die „Wartelisten“ für unter Dreijährige und über Dreijährige der Fachberatung im Bereich der Kindertagesbetreuung, lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Die Zielquote für den Bereich der unter Dreijährigen scheint, wie vom Jugendamt bereits angenommen, zu niedrig. So weist die Anzahl an Kindern unter drei Jahren, die auf der entsprechenden Warteliste stehen und somit einen Betreuungsplatz benötigen, auf ein größeres Defizit hin als rechnerisch abgebildet. Die Anzahl der Kinder im Alter über drei Jahren auf der Warteliste deckt sich in etwa mit dem rechnerischen Defizit von 183 fehlenden Plätzen aus der aktuellen Jugendhilfeplanung.
Daraus folgt, dass sich das Defizit von Betreuungsplätzen in einem maximalen Bereich von circa 500 Kindern bewegt, je nach tatsächlichem Bedarf der Familien.
„Um die Zielquoten entsprechend der tatsächlichen Bedarfe der Familien in der folgenden Planung anzupassen, ist eine Elternbefragung in Arbeit“ erläutert Petra Liebmann-Buhleier, die die Abteilung Kinder-, Jugend- und Familienförderung leitet. „Mit der Umfrage werden die Bedarfe im Bereich der Kindertagesbetreuung erhoben und dienen dann als verlässliche Planungsgrundlage.“
Rechtsanspruch und Aufwendungsersatz
Für alle Eltern von Kindern ab einem Jahr besteht ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. „Dieser ist einklagbar, jedoch faktisch vom Vorhandensein eines bedarfsgerechten Platzes abhängig. Eine Klage gibt aber leider keine Garantie auf einen Betreuungsplatz,“, erläutert Sabine Hellwig als zuständige Fachbereichsleiterin.
In den Jahren 22/23 sind neun Verfahren gegen die Stadt Bergisch Gladbach, teilweise auch im Eilverfahren, geführt worden.
Neben einem möglichen Klageverfahren besteht der Anspruch auf den sogenannten Aufwendungsersatz. Dies ist die Erstattung der Kosten, die bei einer „selbst beschafften Hilfe“ entstanden sind. Es handelt also nicht um einen Ersatz für den Betreuungsplatz, sondern um den Ersatz von entstandenen Kosten. Es besteht für die Eltern somit die Möglichkeit, dass ihnen Kosten erstattet werden, die durch eine privat organisierte Betreuung im häuslichen Umfeld beziehungsweise eines selbst beschafften Betreuungsplatzes, beispielsweise in einer anderen Kommune, entstanden sind. Diese Variante kommt in Betracht, wenn und solange kein – den Rechtsanspruch erfüllender – Platz zur Verfügung gestellt werden kann.
Ansprechpartnerinnen sind bei einem Rechtsanspruch für Kinder über drei Jahre die Fachberatungen für Kindertagesstätten oder bei einem Rechtsanspruch für Kinder von einem bis drei Jahre die Fachberaterinnen für Kindertagespflege im städtischen Jugendamt.
„Unabhängig davon bleibt das Jugendamt bei vorliegender Bedarfsanzeige auch weiterhin intensiv bemüht, bei der Suche eines geeigneten Betreuungsplatzes zu unterstützen“, erklärt Petra Liebmann-Buhleier. „Leider ist die telefonische Erreichbarkeit aufgrund der Vielzahl von Nachfragen derzeit nicht immer gegeben. Hierfür wird um Verständnis gebeten.“
Kita-Ausbau-Programm
Ragnar Migenda, Beigeordneter für Klimaschutz und Stadtentwicklung, ist gleichzeitig Fachdezernent für Jugend und Soziales und arbeitet mit seinem Verwaltungsteam mit Hochdruck an der Aufgabe, neue Betreuungsplätze zu schaffen. „Dabei sind jedoch unterschiedliche Faktoren zu beachten: Bau- und planungsrechtliche Bestimmungen, finanzielle und förderrechtliche Vorgaben, qualitative Maßstäbe und nicht zuletzt vergaberechtliche Kriterien“, erläutert der Dezernent. „Daher wird aktuell ein mehrgleisiges Ausbauprogramm erarbeitet. Hierzu zählt ein Interessenbekundungsverfahren, in dem Grundstücksinhaber und Grundstücksinhaberinnen ihre Flächen als mögliche Orte für neue Kindertagesstätten anbieten. Es wird zudem anhand unterschiedlicher Gesichtspunkte geprüft, ob Grundstücke in Frage kommen.“
In einem nächsten Schritt geht es dann um den konkreten Bau. Auch dieser muss von einem Vergabeverfahren begleitet werden. Parallel dazu prüft die Verwaltung bereits bekannte Flächen mit dem Ziel, schnellstmöglich baureife Grundstücke zu identifizieren. Diese Flächen befinden sich aktuell in Prüfung, so dass hier zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Angaben gemacht werden können.
Für den Bau neuer Einrichtungen wird der Fokus auf die Errichtung in Modulbauweise gelegt. Das bedeutet jedoch nicht, dass sowohl energetische als auch qualitative Aspekte vernachlässigt werden. Zudem ist bei jedem Grundstück zu prüfen, was die „beste“ Bauweise individuell für diesen Standort ist.
Nicht ganz losgelöst vom Bau neuer Einrichtungen ist das Thema „Trägerauswahl“ zu betrachten. Hier gilt es, den Bau und ein Trägerauswahlverfahren zeitlich so eng zueinander zu legen, dass mit Fertigstellung eines neuen Gebäudes auch der Betrieb beginnen kann.
Ragnar Migenda erläutert die Problematik: „Grundsätzlich gilt bei der Trägerauswahl das sogenannte Subsidiaritätsprinzip; sofern Angebote durch geeignete Einrichtungen und Dienste von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe, sprich die Kommune, von eigenen Maßnahmen absehen. Dies beschreibt der § 4 Abs. 2 des SGB VIII. Letztendlich ist die Kommune aber Garant für die Bereitstellung der Kindertagesbetreuung im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang. In der Zukunft muss folglich genau geprüft werden, ob die Stadt als Betreiberin von Kitas aktiv werden muss und soll, um ihrer Pflicht laut Gesetz nachzukommen.“
Umgang mit dem Fachkräftemangel
Ein weiterer Problempunkt bei der Schaffung von Betreuungsplätzen ist der Mangel an Fachpersonal im Kitabereich. „Besonders der Umgang mit dem aktuellen Fachkräftemangel ist eine Herausforderung, welche die Zusammenarbeit aller Beteiligten sowohl vor Ort als auch in den übergeordneten Strukturen wie Land und Bund erfordert. Dieser lässt sich nicht kurzfristig beheben - vor allem nicht ohne Qualitätsverlust. Es sind neue, attraktivere Ausbildungs- sowie Berufseinstiegswege gefragt“, beschreibt Ragnar Migenda die aktuelle Situation.
„Die Kolleginnen aus dem Bereich Fachberatung befinden sich im kontinuierlichen Austausch mit den verantwortlichen Stellen des Landesjugendamtes und melden situativ die Gesamtlage im Bereich des Fachkräftemangels zurück, um die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf Ministerialebene informiert zu halten“, ergänzt Sabine Hellwig.
Jüngst hat das Ministerium als Reaktion auf die herausfordernde Situation in den Kitas das sogenannte „Kita-Sofortprogramm“ entwickelt, das auch in personellen Belangen eine gewisse Entlastung des Systems verspricht.
Das Jugendamt plant darüber hinaus zurzeit in Kooperation mit dem Landesjugendamt eine kreisweite Informationsveranstaltung zum Themenkomplex „Personaleinsatz /-verordnung“ für Trägervertreterinnen und -vertreter. Des Weiteren sind die Teilnahme an Fachtagungen zum Thema Fachkräftemangel des Ministeriums sowie der Ausbau der bestehenden Kooperation mit dem ansässigen Berufskolleg angestrebt.
In Bergisch Gladbach ist eine regionale Arbeitsgruppe zum Thema Fachkräftemangel sowohl für den Bereich Kindertagesbetreuung als auch Offene Ganztagsschule terminiert. Hier sind die freien Träger sowie Vertreter aus der Elternschaft eingeladen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verwaltung mit vereinten Kräften und quer über alle Fachbereiche sowohl den infrastrukturellen Ausbau der Betreuungskapazitäten als auch – nach ihren Möglichkeiten - den Umgang mit dem Fachkräftemangel bearbeitet und Lösungen schafft. Diese werden voraussichtlich kurz- bis mittelfristig zu einer Entlastung des Gesamtsystems beitragen können.