Direkt zur Suche und Hauptnavigation Direkt zum Inhalt
Übernehmen

Ruhestand für den Stadtarchivar: Dr. Albert Eßer geht in Pension

Ruhestand für den Stadtarchivar: Dr. Albert Eßer geht in PensionBild vergrößern

Er sieht gar nicht aus wie ein Urgestein: Dr. Albert Eßer, seit 27 Jahren und vier Monaten Bergisch Gladbacher Stadtarchivar, ist eher der jugendliche Typ. Und doch ist er vor wenigen Tagen 63 Jahre alt geworden; am 31. August wird er seinem Schreibtisch im Gustav-Lübbe-Haus endgültig den Rücken kehren – ein herber Verlust für die Stadt, denn Eßer kennt die Historie von Bergisch Gladbach wie sonst nur wenige. Obwohl er eigentlich gebürtig aus dem „anderen“ Gladbach am Niederrhein stammt – das Studium hatte ihn aber bereits in die Nähe seiner zukünftigen Arbeitsstätte gelockt, nämlich nach Köln, wo er heute noch wohnt.

Im Mai 1993 nahm Albert Eßer dann die Arbeit im Stadtarchiv der bergischen Kreisstadt auf. Zuvor hatte er ein komplettes Lehramtsstudium in Deutsch und Geschichte inklusive Referendariat abgeschlossen. „In den 80er Jahren konnte man sich mit dieser Fächerkombination nicht beim Staat bewerben. Man musste sehen, wo man unterkam. So nahm ich ein Volontariat und eine Projektarbeit beim Landschaftsverband an und habe ein weiteres Referendariat mit zweitem Staatsexamen im Archivdienst angehängt. Damit war klar, wie es beruflich weiterging“, so Eßer. Da traf es sich gut, dass Vorgängerin Ellis Kreuwels just ins Stadtarchiv Den Haag gewechselt war und ihre Stelle vakant wurde.

Was fand der frischgebackene Archivleiter im Mai 1993 bei der Stadt Bergisch Gladbach vor? „Zunächst einmal gab es noch keine Computer. Den ersten bekamen wir 1995. Unsere Büros waren gerade in die neue Unterkunft an der Hauptstraße 310 umgezogen, die Archivakten lagerten aber noch im Stadthauskeller.“ Mit wenig attraktivem Zugang, wie Eßer anschaulich beschreibt: „An den Mülltonnen vorbei und die Treppe hinunter.“ 1994 wurde dann das Magazin in gemieteten Räumen am „Alten Arbeitsamt“ fertig, und die Unterlagen konnten umziehen, unter fachkundiger Begleitung des neuen Archivleiters.

Die Digitaltechnik revolutionierte in den darauf folgenden Jahren auch die Archivarbeit grundlegend, wie Albert Eßer berichtet. „Die lokalen Zeitungsseiten vor 1945, auch die aus Bergisch Gladbach, sind heute über das Landeszeitungsportal online abrufbar. Das wurde durch die Zusammenarbeit mit den Universitäts- und Landesbibliotheken Bonn und Münster möglich. Und seit kurzem läuft das Projekt Langzeitarchivierung gemeinsam mit der Stadt Köln; hier werden auch Tondokumente für die Ewigkeit aufbewahrt. Man kann sich zum Beispiel die Bandaufnahme von der Einweihung des Forums im Jahre 1969 mit Bürgermeister Fröling anhören.“

Die Zusammenarbeit der Archive wurde überhaupt mit den Jahren immer wichtiger. Albert Eßer leitete in den letzten Tagen seines aktiven Dienstes noch eine Arbeitskreissitzung mit den Archivaren im Bergischen: „Wir Kolleginnen und Kollegen in Rhein-Berg, Oberberg und im Kreis Mettmann arbeiten eng zusammen, auch die bergischen Großstädte von Düsseldorf bis Remscheid sind mit dabei.“ So wurde z.B. der Tag der Archive gemeinsam gestaltet und der gute fachliche Austausch demonstriert.

Wesentlich erweitert hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte auch der Nutzerkreis des Stadtarchivs: Waren es im vergangenen Jahrtausend hauptsächlich lokale Anfragen, die den Archivar erreichten, so kamen mit der Zeit immer mehr Interessenten aus der ganzen Welt auf das Stadtarchiv zu. Die lokalen Medien sind regelmäßige Kunden. Mikrofilme lokaler Zeitungen, Datenbanken historischer Fotos, Flurkarten aus Kaisers Zeiten und Publikationen in Buch- oder Aufsatzform sind nur einige der Unterlagen, die nachgefragt werden. Im Lesesaal des Stadtarchivs können sie eingesehen und gründlich studiert werden. Und auch das digitale Angebot wird ständig erweitert: „Zur Zeit scannen wir vor allem Karten, Pläne und Plakate ein“, so Eßer.

Nicht nur „Laufkundschaft“ bedient das Stadtarchiv, auch erfüllt es einen weit gefächerten Bildungsauftrag. „Wir unterhalten eine Bildungspartnerschaft mit dem Otto-Hahn-Gymnasium, und wir bieten den Schülerinnen und Schülern Unterstützung an, die an den Geschichtswettbewerben des Bundespräsidenten teilnehmen“, so Eßer. „Auf diese Weise haben wir schon eine Reihe von jungen Menschen dabei unterstützt, Landes- und Förderpreise nach Bergisch Gladbach zu holen. Aber als das Wichtigste empfinde ich, dass wir so den Schülerinnen und Schülern im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte ‚nahebringen‘ können.“ Nicht nur Wettbewerbsteilnehmer werden unterstützt, auch normale Schulklassen oder Studienreferendare besuchen das Stadtarchiv. Diese Fortbildungen sind alles andere als staubtrocken, davon ist der scheidende Archivar überzeugt: „Akten haben viel mit Action zu tun. Hier schlagen sich Aktionen nieder, hier stecken Handlungen drin.“

Beweise für diese These hat Eßer als Autor und Herausgeber mehrfach angetreten: Seine Reihe von Quellenheften zur Bergisch Gladbacher Geschichte sind spannend zu lesen und geben die Stadthistorie sehr anschaulich wieder. Weswegen sie auch im Unterricht eingesetzt werden; den Schulen konnten mit Unterstützung der Bergisch Gladbacher Banken ganze Klassensätze zur Verfügung gestellt werden. Vier Ausgaben decken die Zeit von 1815 bis 1990 ab.

Was hat der scheidende Archivar erreicht, worauf ist er stolz, was bleibt von dem, was er während seiner Amtszeit geschaffen hat? Die Quellenhefte gehören dazu, auch die Stadtgeschichte von 2006, die, von einem Dutzend Autoren geschrieben, zum 150jährigen Stadtjubiläum erschienen ist. Die Arbeit im Stadtarchiv wird von einem engagierten, verlässlichen und fachlich qualifizierten Team getragen, das Eßer großenteils selbst ausgebildet hat. Was definitiv nicht vergessen werden darf, ist die Konzeption des im Jahre 2018 bezogenen neuen Domizils im Gustav-Lübbe-Haus: „Hier hat das Stadtarchiv eine Bleibe gefunden, die ganz sicher über viele Jahrzehnte Bestand hat, nach allen Kriterien des modernen Archivwesens.“

Jetzt also der Ruhestand; was sich Pensionär Eßer vorgenommen hat, klingt tatsächlich nach viel Ruhe. „Ausschlafen, Wandern, Reisen, sehr gerne auch im Bergischen! Interessante Ecken gibt es genug in unserer Nähe.“ Und überhaupt: „Erst einmal die Freiheit genießen.“ Was nicht heißt, dass er nicht auch gern gearbeitet hätte, gerade in und für Bergisch Gladbach. Der Blick zurück fällt entsprechend positiv aus: „Die Stadt hat eine gute Größe. Es gibt genug Material, aber alles bleibt überschaubar. Auch die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen war durchweg angenehm, und ich konnte viele Dinge tun, ohne ständig meine Vorgesetzten fragen zu müssen.“ Offenbar mit Erfolg und unfallfrei. Dass es auch im Ruhestand für Motorradfahrer Eßer so weitergehen möge, wünschen ihm seine „alten“ Kolleginnen und Kollegen von Herzen!