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Reisebericht von Jörg Köhler und Frank Stein

24 Stunden Hinreise und 24 Stunden Rückreise: Wer in unsere neue Partnerstadt Butscha reisen möchte, braucht viel Geduld. Der Luftraum über der Ukraine ist für zivile Flugzeuge gesperrt. Deshalb geht es spätestens ab Krakau nur mit polnischen und ukrainischen Fernzügen weiter. Diese allerdings sind modern und müssen den Vergleich mit den Fernzügen der Deutschen Bahn nicht scheuen.

In Kiew angekommen wurden wir herzlich empfangen und konnten uns schon auf den letzten Straßenkilometern nach Butscha ein erstes Bild machen. Ausgebrannte Panzer und Militärfahrzeuge am Straßenrand. Durch Artillerie- und Panzerbeschuss zerstörte Wohngebäude waren unübersehbar. Diese massiven Zerstörungen, die sich erkennbar zielgerichtet auf Infrastruktur wie Wohnungen, Gewerbebetriebe, Schulen, Kindergärten und Ver- und Entsorgungseinrichtungen konzentrierten, lassen auf eine Strategie der russischen Truppen rückschließen. Nämlich die Zerstörung der ökonomischen und technischen Lebensgrundlagen. Die leistungsfähig ausgebaute Strassenverbindung aus Richtung Belarus/Norden nach Kiew läuft direkt durch die Städte Butscha und Irpin. Sie war die Hauptaufmarsch Strecke der russischen Truppen bei dem Versuch, Kiew einzunehmen. Dieser Versuch ist bekanntlich gescheitert, führte aber dazu, dass die russischen Truppen mehrere Wochen in Butscha als Besatzungstruppen waren. In dieser Besatzungszeit wurde nicht nur das Zerstörungswerk an wichtigen Elementen der Infrastruktur fortgesetzt. Es kam darüber hinaus zu kaum vorstellbaren Gewalttaten. Passanten wurden wahllos am Straßenrand erschossen. Zunächst wurde durch die russischen Truppen verhindert, dass die Leichen der Mordopfer vom Tatort verbracht werden konnten. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde es gestattet, dass 280 Leichen in einem Massengrab auf dem Grundstück der ukrainisch-orthodoxen Kirche bestattet wurden. Auch durchkämmten die russischen Truppen mit vorgefertigten Listen den Ort nach Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. In Nachbarorten wurden mehrere Amtsträger ermordet. Der Bürgermeister der Stadt Butscha konnte mit viel Glück entkommen und hat die gesamte Besatzungszeit verborgen in seiner Stadt glücklicherweise überlebt.

Nach dem Abzug der russischen Truppen wurden die in dem Massengrab befindlichen Leichen exhumiert und in würdiger Weise bestattet. In der Kirche ist eine provisorische Gedenkstätte errichtet, hier soll zukünftig eine dauerhafte und dem Geschehen angemessene Gedenkstätte eingerichtet werden.

Die Menschen in Butscha gehen in bewundernswerter Weise mit diesen unzweifelhaft traumatisierenden Erfahrungen um. Die Wiederherstellung des öffentlichen Lebens, wo möglich Sanierung und wo nicht möglich Neubau zerstörter Infrastruktur werden tatkräftig und engagiert angegangen. Gleichzeitig sind die Menschen im Butscha wie in der gesamten Ukraine damit konfrontiert, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten und Süden des Landes unverändert fortschreiten. Viele Männer aus Butscha sind im Einsatz an der Front. Und leider gehören Bestattungen und Trauerfeiern für gefallene Soldaten auch zum täglichen Leben.

Weiterhin benötigt die Stadt Butscha neue Fahrzeuge für den öffentlichen Personennahverkehr. Die bisher vorhandenen wurden entweder zerstört oder von den russischen Truppen mitgenommen.

Der wichtigste steuerzahlende Betrieb wurde durch die russischen Truppen komplett zerstört. Die Stadt Butscha ist auch deswegen in einer sehr schwierigen finanziellen Lage. Man ist sehr daran interessiert, vorhandene Gewerbeflächen an Investoren zu vergeben. Vor dem Krieg haben sich schon einige westeuropäische Unternehmen dort angesiedelt. Weitere werden mit offenen Armen empfangen.

Hinsichtlich des konkreten Hilfebedarfs der Stadt Butscha haben wir folgende Erkenntnisse mitgenommen

- Die Zeit, in der unmittelbare Hilfe zum täglichen Überleben durch Nahrungsmittel, Decken etc. notwendig war, ist mittlerweile vorbei. Lebensmittelversorgung und die Basisversorgung für das tägliche Leben sind nach unserem Eindruck gesichert.

- Notwendig ist zielgerichtete Hilfe für die Wiederaufbauarbeit insbesondere bei Schulen, Kitas und Wohnraum. Dies bezieht sich insbesondere auf Baumaterialien und entsprechendes Gerät. Dies werden wir kurzfristig detaillierter mit der Stadt Butscha abstimmen. Dabei werden wir auch klären, ob es sinnvoll, ist, entsprechende Lieferungen von Deutschland aus zu organisieren oder ob es nicht wirtschaftlicher und effektiver ist, entsprechende Beschaffungen in der Ukraine projektbezogen gezielt finanziell zu unterstützen.

- Die Bedarfe im öffentlichen Personennahverkehr sind erheblich. Hier werden wir kurzfristig die Verkehrsunternehmen in unserer Region ansprechen und, uns bemühen, insbesondere vor der Ausmusterung stehende Busse zu akquirieren.

- Es fehlt an fast allen Fahrzeugen und Gerätschaften zur Reparatur und Aufrechterhaltung der Kommunalen Infrastruktur. Hier werden wir Kontakt mit anderen Kommunen aufnehmen, um mit Spendengeldern geeignete Ausrüstung anzukaufen die zum Verkauf steht

- Feuerwehr und Rettungsdienst sind in der Ukraine auf Bezirksebene angesiedelt. Ehrenamt ist zumindest in der Region Butscha nicht bekannt. Auf Grund der Erfahrungen aus dem Angriff, ist es Wunsch kommunal ehrenamtliche Strukturen aufzubauen um die beruflichen Strukturen zu unterstützen. Hierzu werden wir ein Konzept erstellen und bei Bedarf bei der Umsetzung insbesondere in der Ausbildung unterstützen.

Besonders hervorheben möchten wir unseren eindeutigen Eindruck, dass in der Stadt Butscha sehr seriös und verlässlich gearbeitet wird. Hilfslieferungen und Spenden werden der beabsichtigten Zwecksetzung zugeführt. Wir konnten uns auch davon überzeugen, dass die seitens der Stadt Bergisch Gladbach übergebenen Fahrzeuge der Feuerwehr sehr sinnvoll und zweckentsprechend eingesetzt werden.

Die Hilfe der Stadt Bergisch Gladbach und ihrer Bürgerinnen und Bürger für Butscha wird dort mit großer Dankbarkeit bedacht. Es war uns sehr wichtig, zu kommunizieren, das Butscha kein demütiger Bittsteller ist, sondern eine europäische Partnerstadt, der wir auf Augenhöhe helfen. Diese Botschaft war für unsere ukrainischen Freunde erkennbar von großer Bedeutung.